Funktionale Diagnostik des Sehens: Modul- und Zertifikatsentwicklung in der Fachrichtung Pädagogik bei Sehbeeinträchtigungen (FDS)
► Gefördert von der Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus
► In Kooperation mit: Sehbehinderten- und Blindenzentrum Südbayern (CVI-Beratungsstelle), Sozialpädiatrische Sehambulanz Mainz
► Projektlaufzeit: 01/2024 - 12/2026
► Projektmitarbeitende: Dino Capovilla, Josef Zihl, Roger Weis
Hintergrund
Das pädagogische und didaktische Handeln im Förderschwerpunkt Sehen wird jenseits der allgemeinen pädagogischen Arbeit vor allem durch die individuellen visuellen Wahrnehmungsbedingungen bestimmt. Bei der Bestimmung der visuellen Wahrnehmungsbedingungen lassen sich mindestens zwei Herangehensweisen unterscheiden. Ophthalmologisch und sozialrechtlich motiviert werden die visuellen Wahrnehmungsbedingungen möglichst objektiv mit standardisierten Verfahren quantifiziert und meist periodisch in einem physiologisch-funktionellen Befund festgeschrieben. Während dieser physiologisch-funktionelle Befund leitend für die Planung und Durchführung von medizinischen Interventionen und die Zuschreibung von sozialrechtlichen Nachteilsausgleichen ist, bleibt seine Aussagekraft im pädagogischen Prozess überschaubar. Aus diesem Grund muss pädagogisches Handeln stets an der funktonalen Sehleistung ansetzen, die es im Rahmen einer funktionalen Diagnostik des Sehens zu ermitteln gilt.
Während Testverfahren des physiologisch-funktionellen Sehens nicht zuletzt durch ihre Standardisierung einfach erlernbar sind, erweist sich die funktionale Diagnostik als Herausforderung. Dies liegt daran, dass sich die funktionale Sehleistung aus einem ausgesprochen komplexen Bedingungsgefüge ergibt. Dieses Bedingungsgefüge involviert sämtliche anderen sensorischen funktionalen Leistungen, genauso wie die Möglichkeiten hinsichtlich der Aufmerksamkeit, des Lernens, der Merkfähigkeit oder der exekutiven Funktionen, aber auch den soziokulturellen Kontext und den sich daraus ergebenden Erfahrungshorizont. Daraus lässt sich schließen, dass ein tiefgehendes Verständnis möglicher visueller Wahrnehmungsbedingungen in genannten Bedingungsgefüge in ihrer Wirkung auf die funktionale Sehleistung ein tragendes Fundament des pädagogischen Handelns im Förderschwerpunkt Sehen und damit auch ein zentraler Lerngegenstand im Studium ist.
Strategische Projektziele
Mit dem Projekt FDS soll die Funktionale Diagnostik des Sehens als eigenständiges Studienmodul für die neue Fachrichtung Pädagogik bei Sehbeeinträchtigungen (Förderschwerpunkt Sehen) in Würzburg konzipiert und implementiert werden. Wesentliche Inhalte sollen die physiologische und klinische Diagnostik des Sehens, die Testadaption visuell orientierter Testverfahren, die Bedingungs- und Interventionsanalytische Diagnostik des Sehens sowie cerebrale Wahrnehmungseinschränkungen (CVI) sei. Um dies konkreter zu fassen, sollen mit Blick auf die Bedingungs- und Interventionsanalytische Diagnostik des funktionalen Sehens folgende Fragen beantwortet werden: Wie lässt sich die Bedeutung der Teilleistungen des Sehens für die einzelne Person bestimmen? Wie kann erfasst werden, was einzelne Personen interessiert, was sie überhaupt sehen will? Wie passt das Sehen zum Lernstil (holistisch, versatil, seriell)? Unter welchen Bedingungen ist eine Person bereit zu lesen? Was spart die Person im Beratungsgespräch aus, weil Sie eine Unvereinbarkeit mit ihrer Behinderung vermutet? …
Ein weiterer Fokus des Projekts FDS ist die pädagogische Akademisierung cerebraler Wahrnehmungseinschränkungen (CVI). Die Studierenden unserer Fachrichtung sollen eine umfassende Basisqualifikation in diesem Feld erhalten. Interessierte Studierende sollen durch ein Zusatzprogramm von Hospitationen, Supervisionen und selbst durchgeführten Untersuchungen ein Zertifikat erwerben können. Das Angebot soll auch für externe Fachkräfte offenstehen.