Virtuelle Selbsthilfe
Virtuelle Selbsthilfe als Ressource für die soziale Unterstützung kranker und behinderter Menschen und deren Angehöriger
Projektleitung
Dr. Holger Preiß ( Dipl.-Päd. Univ.), holger.preiss@zfk-wuerzburg.de
Ausgangsbedingungen
Menschen die an (chronischen) Krankheiten leiden oder eine Behinderung aufweisen, sowie deren Angehörige haben häufig ein besonderes Bedürfnis nach sozialer Unterstützung (social support) aus verschiedenen Bereichen ihres sozialen Netzwerks. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei der Kontakt zu Menschen ein, die in ähnlicher Weise betroffen sind (Peers). Diese sind im Besonderen fähig, sich in die jeweilige Situation einzufühlen, spezifische Ratschläge und Informationen weiterzugeben, Kontakte zu vermitteln oder auch Modelle für das Coping mit der besonderen Lebenssituation darzustellen. Die Institution, in der solche Kontakte im Wesentlichen hergestellt werden, sind Selbsthilfegruppen, welche als Bestandteil des sekundären Netzwerks zum Zwecke der Befriedigung dieser psychosozialen Bedürfnisse bestehen.
Wenngleich die soziale Selbsthilfe schon auf eine lange Geschichte zurück blickt und mit der "neuen Selbsthilfebewegung" seit Ende der 1970er Jahre eine Renaissance erfahren hat, so weist sie dennoch eine Form der Selbsthilfe auf, die noch recht jung und deshalb bislang nur wenig im Blick ist: Selbsthilfe über das Internet, die sog. virtuelle Selbsthilfe. Bislang ist dieses Phänomen überhaupt nur unzureichend begrifflich gefasst und wird bisweilen von Vertretern der etablierten Face-to-Face-Selbsthilfe argwöhnisch betrachtet oder gar nicht als Selbsthilfe anerkannt. Es ist jedoch eine Form des Peer-Counselling bzw. der Online-Beratung unter Menschen in der gleichen Situation, welche sich mit der zunehmenden Integration des Internets in den Alltag stetig verbreitet, auch wenn bislang wenig empirische Daten über ihre Verbreitung und Nutzung bekannt sind.
Ziele
Das laufende Forschungsprojekt möchte zunächst die soziodemographischen Hintergrundbedingungen von Nutzern erfassen, um Aufschluss darüber zu geben, mit welchen Personengruppen wir in der virtuellen Selbsthilfe zu tun haben. Wird diese nur von jungen Leuten, hoch Gebildeten oder Computer-Profis genutzt? Über ein inhaltlich breit angelegtes Sample werden solche Fragen beantwortet.
In einem weiteren Schritt soll erfasst werden, in welchem Maße verschiedene Benutzergruppen von ihr profitieren können bzw. welche Faktoren Einfluss auf die Wahrnehmung sozialer Unterstützung aus der virtuellen Selbsthilfe haben. Um dies erfassen zu können, wird eine Skala entwickelt, welche es erlaubt, diese Dimension erstmals differenziert zu erfassen und im Folgenden Einflussfaktoren zu ermitteln.
Verlauf
Im Jahr 2007 wurde eine umfangreiche Online-Befragung von mehr als 1.000 Nutzern virtueller Selbsthilfe durchgeführt, anhand derer die Skala zur wahrgenommenen virtuellen sozialen Unterstützung entwickelt wurde. Derzeit werden weitere Analysen und Detailauswertungen durchgeführt.
Finanzierung
Das Projekt wurde unterstützt vom Familienbund der deutschen Katholiken in der Diözese Würzburg e.V., sowie dem Verein Heilpädagogisches Forum Würzburg e. V.
Bisherige Veröffentlichungen
- Preiß, Holger (2006): Stellungnahmen von (werdenden) Eltern zum Thema Pränataldiagnostik und Behinderung. Anonyme Beiträge aus dem Internet und am Rande einer Ausstellung. In: »Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (Hrsg.): Tagungsband zur Tagung „Hauptsache gesund?" - Elternschaft im Zeitalter der Pränataldiagnostik. München 2006« (PDF-Dokument), S. 101-117
- Preiß, Holger (2009): Internet-Plattformen für Eltern behinderter Kinder. Unterstützende Ressourcen für die Bedürfnisse nach Information und Kommunikation. In: Teilhabe (48) 2, S. 90-98
- Preiß, Holger (2009): Measuring Perceived Virtual Social Support in Online Self-Help Groups. In: Welker, Martin; Geißler, Holger; Kaczmirek, Lars; Wenzel, Olaf (Eds.): 11th General Online Research Conference, GOR 09 - Proceedings. Wien: DGOF, S. 111-112
- Preiß, Holger (2009): Measuring Perceived Virtual Social Support in Online Self-Help Groups.
- Preiß, Holger (2009): Selbsthilfe im Internet – eine Bedrohung für Face-to-Face-Gruppen? In: NAKOS INFO 100, S. 13–14.
- Preiß, Holger (2010): Gesundheitsbezogene virtuelle Selbsthilfe - Soziale Selbsthilfe über das Internet. Einflussfaktoren auf die Nutzung durch kranke Menschen und ihre Angehörigen und auf deren wahrgenommene virtuelle soziale Unterstützung. Aachen: Shaker
- Preiß, Holger (2010): Die Beziehung zwischen virtueller und Face-to-Face-Selbsthilfe. Ergebnisse eines Forschungsprojekts zu Einflussfaktoren auf die Nutzung und den Nutzen virtueller Selbsthilfe für kranke Menschen und ihre Angehörigen. Online verfügbar unter https://www.nakos.de/data/Dokumentationen/2010/NAKOS-Tagung-Neue-Medien-Plenum-Preiss.pdf
- Preiß, Holger (2011): Selbsthilfe online - Gefahren und Potentiale für Familien mit kranken und behinderten Kindern. In: Kinder Spezial 39, S. 11-14.
- Preiß, Holger (2011): Gesundheitsbezogene virtuelle Selbsthilfe - Neue Chance oder Verstärkung gesundheitlicher Ungleichheit? In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit (42) 3
- Preiß, Holger (2012): Virtuelle Selbsthilfe: Schwacher Ersatz für Selbsthilfegruppen? Ausverkauf von Solidarität? In: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen (Hrsg.): Selbsthilfegruppenjahrbuch 2012. Gießen, S. 105–11