Forschung
Forschung
im Ausbildungsprogramm "Feinfühlig Unterrichten"
Evaluationsforschung
Das Ausbildungsprogramm „Feinfühlig Unterrichten“ ist alles andere als Selbstzweck. Vielmehr hebt es darauf ab, die angehenden Lehrerinnen und Lehrer für die Bedeutung der Bindungstheorie zu sensibilisieren, so dass es ihnen möglich wird, Phänomene im Unterricht, die im Zusammenhang mit bindungstheoretischen Grundlagen stehen, zu erkennen und hierauf bezogen ihre Persönlichkeit und die Lehrer-Schüler-Beziehung entsprechend einzusetzen.
Es interessiert uns daher enorm, welche Effekte der universitären Lehrerbildung im Allgemeinen zugesprochen werden können und vor allen Dingen, wie sich diese Effekte genau zeigen. So geht es sicherlich nicht nur um einen Zuwachs von Kenntnissen und Fertigkeiten, sondern in gleichem Maße auch um die Frage, ob und wie sich eine spezifische professionelle Haltung bei den angehenden Lehrerinnen und Lehrern ausbildet – das gilt sowohl mit Blick auf die zukünftige (Unterrichts-)Praxis als auch mit Blick auf den Lehrer und die Lehrerin als Absolventen und Absolventinnen eines hochschulwissenschaftlichen Studiums, das es ja auch darauf abgesehen haben muss, einen spezifischen wissenschaftlichen Habitus zu vermitteln.
Im Besonderen möchten wir natürlich wissen, ob und welche Effekte unser Ausbildungsprogramm „Feinfühlig Unterrichten“ aufweisen kann.
Sowohl mit Blick auf die allgemeine sonderpädagogische Lehrerbildung als auch mit Blick auf unser Ausbildungsprogramm „Feinfühlig Unterrichten“ heben wir darauf ab, die „Subjektiven Theorien“ (Straub/Weidemann 2015) der angehenden Lehrerinnen und Lehrer zu erheben und daraufhin zu untersuchen, welche Modifikationen sich während des Studium eingestellt haben.
Beiden Fragestellungen wird im Rahmen unserer Evaluationsforschung nachgegangen. Zum Einsatz kommen unterschiedliche Forschungsmethoden – von standardisierten Fragebögen, über halbstandardisierte Interviews bis hin zu Transkriptanalysen.
Da der zu erforschende Gegenstand die wissenschaftliche Methode bestimmt, können sowohl quantitative als auch qualitative Verfahren zum Einsatz kommen. Die Forschungsbemühungen bewegen sich allerdings in der Tradition einer rekonstruktiven Sozialforschung.
Interventionsforschung
Am besten lässt sich Unterricht verstehen, wenn man sich das, was als Unterricht bezeichnet wird, von der Praxis zeigen lässt. Denn die Praxis, so Friedrich Schleiermacher in seinen Vorlesungen aus dem Jahr 1826, ist immer „älter als die Theorie“ (Schleiermacher 1982, 11). So kann man viele kluge Überlegungen zum Unterricht und zur Feinfühligkeit anstellen – mit der Praxis des (feinfühligen) Unterrichtens haben diese häufig nicht viel zu tun. Da die Pädagogik, wie auch die Medizin, die Theologie und die Jurisprudenz, eine praktische Wissenschaft ist (Brumlik et al. 2013), muss sich die Erforschung des Unterrichts von seinen Operationen her ergeben. Forschungsleitend ist die Frage: „Was tut jemand, wenn er unterrichtet?“ Und weiter: „Was tut jemand, wenn er feinfühlig unterrichtet?“
Die Erforschung des Unterrichtsgeschehens während des Unterrichtens ist Gegenstand unserer Interventionsforschung. Diese ist ihrem Wesen nach einem „naturalistischen Design“ verpflichtet, das heißt, im Mittelpunkt unseres Interesses stehen „echte“ Lehrer und Lehrerinnen, die es mit einer „echten“ Schülerschaft zu tun haben. Nur so kann überzeugend gezeigt werden, wie Unterricht, also das Zusammenspiel von Zeigen, Lernen und Thema, stattfindet und nach welchen Strukturen er organisiert ist.
In forschungsmethodischer Perspektive kommt daher dem Datenmaterial eine große Bedeutung zu. Dieses muss überwiegend videographisch oder mittels Audioaufnahme erhoben, transkribiert und dann mit einem geeigneten wissenschaftlichen Verfahren ausgewertet werden.
Im Rahmen der Interventionsforschung wird dem Theorie-Praxis-Verhältnis professioneller Tätigkeiten besondere Geltung verschafft: „Die Dignität der Praxis ist unabhängig von der Theorie; die Praxis wird nur mit der Theorie eine bewußtere“ (Schleiermacher 1982, 11). Sowohl die Theorie als auch die Praxis weisen unterschiedliche Geltungsbereiche auf und können nicht einfach wechselseitig aus dem einen oder aus dem anderen abgeleitet werden (Ahrbeck et al. 2016). Beide aber sind für professionelles pädagogisches Handeln unabdingbar.
Literatur
Ahrbeck, B./Ellinger, S./Hechler, O./Koch, K./Schad, G. (2016): Evidenzbasierte Pädagogik. Sonderpädagogische Einwände. Stuttgart
Brumlik, M./Ellinger, S./Hechler, O./Prange, K. (2013): Theorie der praktischen Pädagogik. Grundlagen erzieherischen Sehens, Denkens und Handelns. Stuttgart
Schleiermacher, F. (1982): Pädagogische Schriften 1. Frankfurt am Main
Straub, J./Weidemann, D. (2015): Handelnde Subjekte: 'Subjektive Theorien' als Gegenstand der verstehend-erklärenden Psychologie. Gießen
Literatur zu den Forschungsmethoden in der Heil- und Sonderpädagogik
Koch, K./Ellinger, S. (Hg.) (2015): Empirische Forschungsmethoden in der Heil- und Sonderpädagogik. Göttingen