Theoretischer Hintergrund
Menschen mit geistiger Behinderung arbeiten bislang fast ausschließlich auf dem zweiten (Sonder-) Arbeitsmarkt, konkret in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Trotz zunehmender Anstrengungen, Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in einer frühen Phase an den allgemeinen Arbeitsmarkt heranzuführen und zu qualifizieren (Fischer/Heger 2011) oder aus den WfbM heraus einen Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen (Diakonisches Werk Bayern et al. 2007) ist ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz für Menschen mit geistiger Behinderung dennoch bislang die Ausnahme.
Projektziel und Leitfragestellung
Ziel des MEGBAA-Projekts: Erhebung und Beschreibung der Lebenssituation und -qualität von Menschen mit geistiger Behinderung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes
These: die Lebensqualität beeinflusst einerseits die Nachhaltigkeit einer Arbeitssituation, anderseits wirkt sich eine Arbeitssituation konkret auf die Lebenssituation und -qualität eines Arbeitnehmers aus (vgl. Doose 2012; Gröschke 2011)
Vordergründige Fragestellungen:
- Wie viele Personen mit geistiger Behinderung arbeiten in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt?
- Wie gestaltet sich die Arbeitssituation dieser Arbeitnehmer im Hinblick auf den beruflichen Verlauf bzw. Verbleib?
- Wie ist die individuelle Lebensqualität aus objektiver und subjektiver Sicht einzuschätzen?
- Welcher Unterstützungsbedarf besteht in anderen Lebensbereichen und wie wirken diese sich auf die individuelle Lebensqualität und Lebenszufriedenheit aus?
- Wie nachhaltig sind die vermittelten Arbeitsverhältnisse und wie gestalten sich die Erwerbsbiographien der Arbeitnehmer mit geistiger Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mittelfristig?
Ausgangslage
Nach genauer Prüfung der Datenlage ist klar, dass eine verlässliche Grundlage für eine quantitative Vollerhebung schlichtweg nicht besteht. Es wird stattdessen eine umfangreiche Stichprobe gezogen, aus der auf die Situation dieser Personengruppe geschlossen wird. Mithilfe eines qualitativen Forschungsansatzes wird das mehrdimensionale Konstrukt der Lebensqualität in den Blick genommen.
qualitativer Forschungsansatz: die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen in Bezug auf Teilhabe und Zufriedenheit wird möglichst ganzheitlich erfasst
Lebensqualität:
- lässt sich vorrangig über Indikatoren und Teilbereiche abbilden
- umfasst objektive und subjektive Komponenten
Das allgemeine Modell der Lebensqualität (in Anlehnung an Felce & Perry, in: Seifert 2002, 205) beschreibt fünf Dimensionen:
Physisches Wohlbefinden | Soziales Wohlbefinden | Materielles Wohlbefinden | Aktivitätsbezogenes Wohlbefinden | Emotionales Wohlbefinden |
- Gesundheit - Körperpflege - Bewegung - Entspannung - Schutz vor Verletzung
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- Interaktion, - Kommunikation, - persönliche Beziehungen, - soziale Integration, - Wertschätzung |
- Räumlichkeiten, - Ausstattung der Räume, - Eigentum, - finanzielle Mittel, - bevorzugte Gegenstände, - Transportmittel |
- Tagesablauf, - Aktivität, - Entwicklung, - Partizipation, - Selbstbestimmung, - Wohnen, - Arbeit, - Freizeit und Bildung, - Therapie
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- Selbstwertgefühl, - Zugehörigkeit, - Sicherheit und Geborgenheit, - Sexualität, - psychische Gesundheit |
Tab. 1: Dimensionen von Lebensqualität (vgl. Felce & Perry, in: Seifert 2004, 5)
Forschungsdesign: objektiv ähnlich erscheinende Arbeits- und Lebensbedingungen können subjektiv unterschiedlich bewertet werden. Um dies entsprechend erheben zu können, wurde ein trianguliertes Forschungsdesign (vgl. Flick 2011) gewählt.